Er brachte die Erbsen in die Dosen
Die Hero in Frauenfeld war eine Hochburg der Gemüsekonservierung und spezialisierte sich auf Erbsen aus der Region. Von der Ernte bis zur Produktion kannte Bruno Stäheli alle Abläufe in der Fabrik. Nach der Blütezeit der Hero endete sein Weg mit der Schliessung des Betriebs.
Bruno Stäheli bei seiner alten Wirkungsstätte in Frauenfeld, wo er 30 Jahre lang tätig war. Foto: Jan Gubser.
Kaum zu glauben, dass Bruno Stäheli dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiert. «Regelmässiger Sport und eine gute Portion Humor haben mich jung gehalten», sagt Stäheli. Der gebürtige Altnauer sitzt im Sessel seiner geräumigen Wohnung in Frauenfeld. «Das waren noch Zeiten», sagt er, während er alte Fotos aus seinen Jahren bei der Hero anschaut. Als Stäheli im Herbst 1963 ins Unternehmen eintrat, ahnte er nicht, welche berufliche Karriere ihm dort bevorstand.
Zu Beginn seiner 30-jährigen Laufbahn war er als Kontrolleur und Berater der Vertragspflanzer tätig. Das waren Landwirte, die Erbsen und anderes Gemüse anbauten. Sie waren über die ganze Ostschweiz bis weit in die Zentralschweiz verteilt. Den Bauern wurde eine Anbaufläche vorgegeben und das Saatgut zur Verfügung gestellt. Anfangs wurden die Erbsen an Drähten gezogen, von Hand gepflückt und in Säcke abgefüllt. Diese lieferten die Bauern an die Fabrik in Frauenfeld, wo die Hero die Erbsen weiterverarbeitete.
Als Kontrolleur war Stäheli viel auf den Erbsenfeldern unterwegs. Foto: Bruno Stäheli.
Revolution im Gemüseanbau
«An schönen Tagen bin ich oft zu den Gemüsefeldern gefahren, um nach dem Rechten zu sehen», erzählt Stäheli. «Manchmal verbrauchte ich einen ganzen Tank pro Tag.» Die Hero hatte damals 500 Hektaren Pachtland. Bald zeigte sich, dass die von Hand gepflückten Erbsen nicht ausreichten. Sie wurden durch maschinell geerntete und verarbeitete Produkte ersetzt. Die sogenannten Drescherbsen waren niedrig und standfest und konnten maschinell gesät, geschnitten und gedroschen werden. Die Hero verarbeitete bis zu 100 Tonnen Erbsen pro Tag. Von Feierabend und Wochenende konnte Stäheli während der Erntezeit nur träumen.
«Eigentlich war ich der grösste Bauer der Schweiz.»
Später wurde Stäheli Chef des gesamten Anbaus und war für die Beschaffung der Rohstoffe verantwortlich. «Eigentlich war ich der grösste Bauer der Schweiz», sagt Stäheli mit einem leichten Schmunzeln. Er musste den Anbau so planen, dass die Erbsen gestaffelt reiften. Denn während der Erntezeit sollte die Fabrik möglichst jeden Tag ausgelastet, aber nie überlastet sein. In der Theorie eine lösbare Aufgabe. Doch wenn die Sonne über eine längere Zeit nicht schien, wurden Stähelis Arbeitstage ungemütlich. Denn Erbsen brauchen Sonnenlicht und Wärme, um zu reifen. Schlechtes Wetter und der Zeitdruck sorgten so bei Stäheli für schlaflose Nächte.
Bei schlechtem Wetter arbeitete Stäheli in seinem Büro. Ob er hier auf eine gute Ernte anstösst? Foto: Bruno Stäheli.
Vom Feld in die Dose
In der Fabrik angekommen, lief die Ernte über lange Kontrollbänder. Auf beiden Seiten standen vor allem italienische Arbeiterinnen, die verunreinigte oder unansehnliche Erbsen aussortierten. Nach der Handsortierung kamen sie direkt in den Blanchierer. Dort wurden sie leicht vorgekocht und anschliessend mit Wasser abgespritzt. Damit war das Gemüse bereit für die eigentliche Konservierung:
Auf langen Kontrollbändern rollten Dosen in die Fabrik. Dort befüllten mehrere Maschinen sie mit der richtigen Menge Erbsen und dem Salzwasseraufguss – alles vollautomatisch. In der Verschliessmaschine wurde der Deckel draufgesetzt. Anschliessend wurden die Dosen in den Autoklav gefahren, wo sie auf über 100 Grad erhitzt wurden, um die Erbsen haltbar zu machen. Nach der Sterilisation kühlten die Dosen ab, durchliefen die Etikettier- und die Verpackungsmaschine, bis sie dann in die grossen Lagerhallen gelangten.
Eine Ära geht zu Ende
Ein Industriegleis führte bis zur Fabrik der Hero. Heute erinnert es an die Blütezeit. Foto: Jan Gubser.
Die Konservenfabrik Hero in Frauenfeld war unter den Schweizer Konservenfabriken eine der grössten und bedeutendsten Produzentinnen von Erbsenkonserven. Mit ihren innovativen Ansätzen kann sie als vorbildlicher Industriebetrieb für den Thurgau bezeichnet werden. Zudem war sie eine wichtige Arbeitgeberin der Region und bot vielen Menschen eine Arbeit. Die Mitarbeitenden bildeten eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie durchlebten Höhen und Tiefen, feierten Erfolge und meisterten Herausforderungen.
«Ich habe gesehen, wie am letzten Abend die letzten Dosen über das Band liefen. Und dann war Schluss.»
Stäheli war am Schluss seiner Karriere Betriebsleiter und führte rund 200 Mitarbeitende. Umso härter traf ihn die plötzliche Nachricht, dass Hero den Betrieb in Frauenfeld schliessen wolle. Tatsächlich wurde die Gemüseverarbeitung in Frauenfeld 1998 definitiv eingestellt und auf die Teigwarenproduktion umgestellt. «Ich habe gesehen, wie am letzten Abend die letzten Dosen über das Band liefen. Und dann war Schluss», erinnert sich Stäheli. Er setzte sich dafür ein, dass alle Mitarbeitenden eine neue Stelle fanden. Ein Grossteil konnte im Betrieb in Lenzburg weiterarbeiten. 2004 wurde der Produktionsbetrieb in Frauenfeld an Pasta Premium verkauft. Das Unternehmen stellt auch heute noch Teigwaren her.
Heute ist Stäheli stolz, Teil der Thurgauer Industriegeschichte zu sein. Foto: Jan Gubser.
Für Stäheli ging nicht nur eine lange Laufbahn, sondern auch eine Ära zu Ende. Trotz der Herausforderungen und des Abschieds von der Fabrik blickt Stäheli mit Dankbarkeit und Stolz auf die Zeit bei der Hero zurück. Die Konservenfabrik mag geschlossen sein, aber ihre Bedeutung und ihr Erbe leben weiter. Die Erinnerung an die Fabrik und die Menschen, die dort arbeiteten, werden in der Region noch lange präsent sein. Stäheli hat nicht nur Gemüse konserviert, sondern auch ein wichtiges Stück Thurgauer Industriegeschichte mitgeprägt.
Roman Flury und Jan Gubser
Produktion im Rahmen eines Seminars am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW. © IAM / Historisches Museum Thurgau, 2024
Quellenverzeichnis
- Hero: Von der Geburtsstunde der Erbsendose bis heute.
- Werner Raths: Die «Hero» Konservenfabrik in Frauenfeld. In: Thurgauer Jahrbuch 40 (1965), S. 83-94.
- Viola Stäheli: Als man in Frauenfeld noch Erbsli in Büchsen füllte. In: Thurgauer Zeitung, 5. August 2025, S. 33.